Achtung, heiß!“, lautet die Warnung beim Betreten des Prüfstands. Denn wo Motoren arbeiten, entsteht immer auch Wärme. Ein Versuch wurde vor wenigen Minuten beendet, die Maschinenteile sind noch nicht ganz ausgekühlt. Mit dem vielen Metall und all den Schrauben gleicht das Labor einer großen Werkstatt. Tatsächlich ist es ein Testfeld für die Wissenschaftler am Grazer Large Engines Competence Center (LEC). Sie arbeiten im von Technologie- und Wissenschaftsministerium geförderten Kompetenzzentrum daran, Großmotoren ökologischer, aber auch flexibler zu machen.

„Der Wirkungsgrad ist heute nicht mehr das Hauptthema“, sagt dessen Leiter, Andreas Wimmer. Der Maschinenbauer hat in 20 Jahren Forschung erlebt, wie sich der Wirkungsgrad von Gasmotoren um mehr als zehn Prozentpunkte steigern ließ. Da sei zwar auch heute wohl noch das eine oder andere Prozent zu holen, die „großen Würfe“ seien aber längst gelungen.

Bis zu fünf Stockwerke hoch

 

Prinzipiell funktionieren die großen Motoren genauso wie die kleinen im Pkw. Doch die Dimension unterscheidet sie sehr deutlich. Die Motoren von Frachtschiffen etwa brauchen sehr viel Kraft, um bis zu 20.000 Container zu transportieren: Sie sind so hoch wie ein fünfgeschoßiges Hochhaus und erzeugen rund 80.000 Kilowatt Leistung. Großmotoren findet man aber auch in Lokomotiven oder der Industrie.

Die Wissenschaftler wollen in einem der aktuellen Versuche etwa herausfinden, wie sich Katalysatoren für derartige Großmotoren verbessern lassen. Dabei wollen sie insbesondere dem sogenannten Methanschlupf Herr werden: Bei der Energieerzeugung mit Gasmotoren entweicht neben anderen Abgasen nämlich auch das Treibhausgas Methan. Dieses beeinflusst die Klimaerwärmung wesentlich stärker als Kohlendioxid.

„Emissionen zu reduzieren, bleibt weiter ein wichtiger Fokus der Forschung“, sagt Wimmer. Der Deutsche Naturschutzbund prognostiziere gar, dass die von Schiffen verursachten Emissionen im Jahr 2020 bereits sämtliche an Land – also von Verkehr, Industrie und Haushalten – verursachten übertreffen würden, erzählt der Forscher. Um diese zu reduzieren, gelten an den Küsten der USA bereits strengere Emissionsrichtlinien; Nord- und Ostsee folgen 2021, für Japan, Australien oder das Mittelmeer werden solche bereits diskutiert. Hier Verbesserungen zu erzielen, treibt Wimmer auch persönlich an. Er ist überzeugt, dass die Wissenschaft dabei viel bewegen kann: Immerhin passierten etwa 90 Prozent der Warentransporte über das Wasser. Schon ein Prozent Verbesserung in diesem Bereich könne also eine riesige Hebelwirkung haben, meint er.

Weltweit einzigartige Anlage

Sogenannte Dual-Fuel-Konzepte, Hybridlösungen, bei denen wahlweise Gas oder Diesel ein Schiff antreibt, gelten als vielversprechende Lösung für die Zukunft. Wo sie vereinzelt schon im Einsatz sind, wird der Gasmix allerdings noch außerhalb des Brennraums vorbereitet. Mit direkten Einblaseverfahren in den Brennraum ließe sich nicht nur der Wirkungsgrad erhöhen, sondern auch der Methanschlupf vermeiden, erklärt Wimmer, der das Verfahren am LEC weiter entwickeln will.

Um möglichst realitätsnahe Bedingungen zu schaffen, wurde kürzlich eine Hochdruckgasanlage angeschafft. Sie soll ab 2017 Erdgas aus der normalen Stadtleitung verdichten und so Drücke bis 600 Bar liefern. Für Wasserstofftankstellen gäbe es vergleichbare Anlagen bereits, für Erdgas habe man damit international Neuland beschritten, sind die Forscher stolz. Die neue Hochdruckgasanlage lässt sich auch für Tests an Lokomotivmotoren nutzen.

Mit Gasantrieben ließen sich im Schiffsverkehr jedenfalls bereits jetzt 25 bis 30 Prozent CO2 einsparen, sagt der Forscher. Warum wechseln Schiffsbetreiber dann nicht gänzlich auf Gasantriebe? „Sie wollen ein Back-up: Sie wollen umschalten können, um im Notfall manövrierfähig zu bleiben“, erklärt Wimmer. Antriebslose Schiffe seien schließlich buchstäblich tödlich.

Entwicklung beginnt am PC

Und was bedeutet die Anforderung, dass Antriebssysteme flexibler werden müssen? Gaskraftwerke müssten heute rasch ausgleichen, wenn erneuerbare Energieträger auslassen: also die Sonne nicht mehr scheint oder zu wenig Wind weht. Dann werden die Maschinen hochgefahren und müssen sofort zuverlässig funktionieren. Die Motoren laufen also nicht mehr mit gleichbleibender Leistung „stationär“ wie früher, sondern müssen sich schnell anpassen. Der Fachmann spricht von „transienten Prozessen“.

Am im Jahr 2002 begründeten LEC laufen mittlerweile Tests parallel an vier Prüfständen. Jeder Einzelne sei längst zu komplex, um ihn allein zu betreiben: Zumindest zwei Mechaniker und ein Wissenschaftler, meist mehrere, arbeiten daher jeweils zusammen. Die eigentliche Entwicklungsarbeit beginnt aber am PC. Dort berechnen die Ingenieure die verschiedenen Verbesserungsmöglichkeiten zunächst mit hoher Rechenleistung. In einem Wechselspiel folgen Tests in der Praxis, die wiederum in der Simulation weiterentwickelt werden. Am Prüfstand untersucht man zunächst nur einen einzelnen Zylinder; der ganze Motor wird erst im jeweiligen Partnerunternehmen getestet.

Schiffsmotor ohne Abgase

Industriepartner haben ihm einmal gesagt, dass ein Motor gar nicht umweltfreundlich sein könne, sondern nur möglichst umweltgerecht, erwähnt Wimmer. Er träumt aber weiter. Zu Jahresbeginn entscheidet sich, ob ein bei der EU eingereichtes Forschungsprojekt der Realisierung ein Stück näher rückt. Der Idee eines Tiroler Mathematiklehrers und Erfinders folgend wollen die Wissenschaftler im Verbund mit anderen einen emissionsfreien Schiffsmotor schaffen: Das CO2 bleibe dabei immer Teil des Prozesskreislaufs, außerdem entstünden praktisch keine anderen Luftschadstoffe.

Eine Utopie? Wird das Projekt genehmigt, soll die Forschung zeigen, ob sich die Pläne umsetzen lassen. Das Ergebnis eines anderen Projekts funktioniert jedenfalls schon in der Praxis. Chinesische Kraftwerke nutzen Abfallgase aus der Industrie zur Stromgewinnung. Das Brennverfahren dafür kommt aus Graz.

Berichterstattung

Großmotoren werden grüner
Die Presse, 09.11.2016